Homöopathie


Hintergrundwissen Komplementärmedizin

Anbieter komplementärmedizinischer Leistungen

Naturheilverfahren wurden bis vor 20 Jahren fast nur von Heilpraktikern angeboten. Inzwischen behandelt aber die Mehrzahl der Allgemeinmediziner und Kinderärzte ebenfalls naturheilkundlich. Jährlich erwerben in Deutschland über 2 500 Ärzte eine Zusatzbezeichnung im Bereich der Komplementärmedizin wie Naturheilverfahren, Akupunktur, Homöopathie oder Chirotherapie/Manuelle Medizin. Wenn sich diese Bezeichnungen auf dem Praxisschild finden, bürgt das für eine entsprechende, von den Ärztekammern zertifizierte Ausbildung.

Ärzte dürfen aber auch ohne diese Zusatzbezeichnungen Naturheilverfahren anwenden.

Bei den ~ 16 000 in Deutschland praktizierenden Heilpraktikern gibt es solche geschützten Bezeichnungen für einzelne Naturheilverfahren bisher nicht. Heilpraktiker erlernen ihren Beruf an privaten Schulen, die Dauer und Qualität der Ausbildung ist – da gesetzlich nicht geregelt – unterschiedlich. Lediglich eine vom Gesundheitsamt ausgerichtete Prüfung ist gesetzlich vorgeschrieben.

Neben Heilpraktikern und Ärzten sind in Deutschland nur noch die Psychotherapeuten für die selbstständige Behandlung zugelassen. Einen Grenzfall bilden die Physiotherapeuten. Sie sind einerseits berechtigt, sich auch in schwierigen Methoden wie der Osteopathie weiterzubilden und prüfen zu lassen, andererseits dürfen sie diese aber nach aktueller Rechtslage nur auf Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers ausüben.

Neuerdings unterhalten auch einzelne Universitätskliniken komplementärmedizinisch arbeitende Ambulanzen, die insbesondere auf chronische Erkrankungen, Krebs und chronische Schmerzsyndrome spezialisiert sind (z. B. das Zentrum für naturheilkundliche Forschung an der Technischen Universität München).

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  • Arzt oder Heilpraktiker?
  • Naturheilverfahren realistisch nutzen
  • Natürlich heilen, aber wie?

Die Wurzeln der Komplementärmedizin

Viele der heute populären komplementären Verfahren stammen aus anderen Kulturräumen; sie wurden im Zuge der Alternativbewegung in die Industrieländer „exportiert“ – das gilt für die Traditionelle Chinesische Medizin ebenso wie für die ayurvedische Medizin.

Andere Verfahren stellen dagegen universelle Heilpraktiken dar, die in vielen oder sogar in allen Kulturen genutzt wurden. Vor allem die Massagetechniken, Mind-Body-Therapien und die Phytotherapie wurden zu allen Zeiten rund um den Globus angewandt – sogar Tiere können dabei beobachtet werden, wie sie bei bestimmten Krankheiten spezielle Kräuter bevorzugen.

Viele häufig genutzte Verfahren wie Homöopathie, Osteopathie, anthroposophische Medizin und Bach-Blütentherapie entstanden in den „Gründerwirren“ der wissenschaftlichen Medizin – hier prallten verschiedene, noch kaum überprüfbare Erklärungen für schon exakt beschriebene Krankheiten aufeinander und brachten konkurrierende Denksysteme hervor.

Der Ursprung vieler dieser Verfahren war die Unzufriedenheit mit dem herrschenden Medizinsystem. Samuel Hahnemann etwa, der Begründer der Homöopathie, war zutiefst von den brutalen und für den Patienten nicht selten tödlichen Behandlungsmethoden seiner Zeit (wie Aderlässe, Abführmaßnahmen, Chirurgie ohne Betäubung) abgestoßen. Dasselbe gilt für Edward Bach, den Gründer der Bach-Blütentherapie. Noch heute spielt die Unzufriedenheit mit dem Medizinbetrieb bei der Nutzung von komplementären Verfahren eine große Rolle. Sehr viele Patienten lassen sich alternativmedizinisch behandeln, weil sie sich als Menschen im schulmedizinischen Betrieb nicht ernst genommen fühlen.

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  • Natürlich heilen, aber wie?
  • Wirkungsweise der Komplementärmedizin

Naturheilverfahren in den Medien

Die Drehständer vor den Buchhandlungen und Apotheken sind mit Büchern über Naturheilverfahren gut gefüllt, und auch im Internet wimmelt es von Informationsangeboten. Viele Bücher greifen allerdings nur die neueste Modewelle auf, und die Informationen im Internet sollen vor allem Appetit machen auf eines: ein bestimmtes Produkt zu kaufen, einen bestimmten Therapeuten zu wählen oder ein bestimmtes Verfahren anzuwenden. Dieses Muster ist im Bereich der Diäten seit Jahrzehnten bekannt, hat sich aber seit den Publikumserfolgen von Schüßlersalzen, Apfelessig und Eigenurin auch bei den Naturheilverfahren etabliert.

Da hilft nur eines: Wenn Sie von angeblichen Wunderwirkungen lesen, prüfen Sie vor allem: Wer betreibt die Seite? Wer verbirgt sich hinter dem „Institut“ oder dem angegebenen „Beraterteam“? Was ist der Zweck der Seite? Soll informiert, geworben oder etwas verkauft werden?

Öffentliche Aufklärung. Leider stecken die Bemühungen der öffentlichen Hand zur Aufklärung im Bereich Naturheilverfahren noch in den Kinderschuhen. Wer sich heute über den Forschungsstand zu einzelnen Verfahren informieren will, findet die besten Informationen noch immer auf englischsprachigen Internetseiten (Infobox). Der Grund liegt darin, dass in den USA und in Großbritannien schon seit vielen Jahren erhebliche öffentliche Mittel in die Erforschung und Bewertung von Naturheilverfahren investiert werden. So ist insbesondere das mit einem Jahresbudget von über 100 Millionen Dollar ausgestattete National Center for Complementary and Alternative Medicine (NCCAM) am US-amerikanischen National Institute of Health das weltweit führende Institut zur Bewertung und Patientenberatung im Bereich der Naturheilverfahren. Für Patienten mit Englischkenntnissen lohnt sich ein Besuch immer.

Das NCCAM hat zudem an einem Internetportal mitgewirkt, das den Zugriff auf Forschungsergebnisse auch für Laien erleichtert, und das nicht nur von Ärzte sondern auch von Patienten genutzt werden kann (Infobox).

Im deutschsprachigen Raum hat sich unter anderen die Stiftung Warentest der Bewertung von Naturheilverfahren verschrieben. Das in Buchform veröffentlichte Resultat (Infobox) wird zwar regelmäßig von den Verfechtern der „durchgefallenen“ Verfahren wegen mangelnder Transparenz und teilweise nicht plausibler Schlussfolgerungen heftig kritisiert, ist aber dennoch der methodisch bisher brauchbarste Beitrag zu diesem Thema.

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  • Wissenschaftliche Prüfung von Naturheilverfahren
  • Natürlich heilen, aber wie?

Naturheilverfahren realistisch nutzen

Akut gefährliche oder schwer verlaufende Krankheiten sind grundsätzlich ungeeignet für eine Behandlung mit Naturheilverfahren. Diese Zurückhaltung ergibt sich aus dem Wirkprinzip vieler Naturheilmethoden: Wo Wirkung über eine Steigerung der Selbstheilungskräfte erzielt wird, können die entsprechenden Verfahren nur wirken, wenn solche selbstregulierenden Kräfte überhaupt noch greifen können. Ist der Organismus von einer schweren Erkrankung überwältigt, so kann er die Kraft zur Selbsthilfe zumindest in der akuten Phase nicht mehr aufbringen.

Generell gibt es Indizien, die Sie aufhorchen lassen sollten, wenn Sie eine bestimmte naturheilkundliche Therapie erwägen. Seien Sie deshalb zumindest skeptisch, wenn ein Therapeut:

  • Rasche, komplette Heilung verspricht. Wenn eine bestimmte Art der Behandlung oder Ernährung wirklich eine (chronische) Krankheit heilen könnte – sie hätte sich durchgesetzt, und zwar schon längst. Wenn es „zu gut klingt, um wahr zu sein“ ist es in aller Regel auch nicht wahr.
  • Alle schulmedizinischen Verfahren in Bausch und Bogen verdammt und darauf besteht, dass Sie alle schulmedizinischen Therapien unverzüglich abbrechen.
  • Vorgibt, mit einem bestimmten Verfahren alles behandeln zu können: Allergien, Depressionen, Diabetes und Krebs. Keine Medizin kann das.
  • Sich auf „bahnbrechende Erkenntnisse“ beruft und angeblich ein „Forschungsinstitut XY“ unterhält. Wenn das Verfahren wissenschaftlich so gut abgesichert ist, ist es auch bei Ärzten zumindest in der Diskussion: Fragen Sie nach!
  • Sich in einer Opferrolle darstellt – die Wahrheit werde unterdrückt, das Verfahren von der Pharmaindustrie „totgeschwiegen“. Pharmazeutische Zulassungsverfahren sind zwar langwierig, aber wirksame Therapien setzen sich durch.
  • Gleichzeitig noch Handel mit Medikamenten oder Apparaten betreibt.

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  • Wirkungsweise der Komplementärmedizin
  • Natürlich heilen, aber wie?
  • Anbieter komplementärmedizinischer Leistungen
  • Arzt oder Heilpraktiker?

Natürlich heilen, aber wie?

Mehr als hundert verschiedene Naturheilverfahren werden heute im deutschen Sprachraum angewendet. Diese Methoden nutzen in der Natur vorhandene Stoffe oder Kräfte zu Heilzwecken, also z. B. Pflanzen, Nahrungsmittel, Mineralien, Wärme, Licht, Wind, Magnetismus, Körperkraft oder Berührung.

Ursprünglich stützten sich Ärzte vor allem auf Wasserbehandlungen, Wärme- und Kältetherapie, Atemtherapie, Bewegungstherapie, Pflanzenheilkunde und die auf eine gesunde Lebensführung abzielende Ordnungstherapie. Diese Verfahren werden deshalb manchmal auch als klassische Naturheilverfahren bezeichnet.

Während manche Naturheilverfahren Eingang in die an Universitäten gelehrte Schulmedizin gefunden haben – das gilt z. B. für viele physikalische Verfahren und für Teile der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) – werden andere von der Schulmedizin abgelehnt, wie z. B. die klassische Homöopathie.

Die am Rande oder außerhalb der Schulmedizin praktizierten Verfahren werden zusammenfassend oft als Alternativmedizin bezeichnet. Allerdings haben längst nicht alle von der Schulmedizin abgelehnten Verfahren den Anspruch, die Schulmedizin zu ersetzen. Stattdessen verstehen sie sich eher als eine Ergänzung zur konventionellen Medizin. Viele Vertreter der Naturheilverfahren bevorzugen deshalb den Begriff der Komplementärmedizin (ergänzende Medizin).

Die Schulmedizin macht in jüngster Zeit Anstrengungen, die Naturheilverfahren wissenschaftlich zu prüfen und integriert komplementärmedizinische Verfahren zunehmend in ihre Behandlungspläne. Die so entstehende integrative Medizin verbindet sozusagen beide Welten.

Die komplementäre Medizin ist in den letzten Jahrzehnten in allen Industrieländern ungeheuer populär geworden. Mehr als 50 % der Patient*innen nutzen sie regelmäßig – mit regional stark unterschiedlichen Präferenzen. So ist die hierzulande sehr breit genutzte Homöopathie in den USA nur wenig bekannt, während sich dort dafür Osteopathie, Chiropraktik und naturopathic medicine (ein eigenes System aus Lebens- und Ernährungsregeln sowie bestimmten traditionellen Diagnose- und Therapietechniken) fest etabliert haben.

Durch ihre Popularität werden Naturheilverfahren allerdings auch zunehmend zum Zielobjekt renditesüchtiger Strategen: Die Anti-Aging-Medizin bedient sich zahlreicher, angeblich natürlicher Heilmittel, und auch die Zeitschriften- und Buchverlage unterstützen mit unzähligen Veröffentlichungen diesen Trend – man denke nur an über Nacht populär gewordene Methoden wie Eigenurintherapie, Apfelessig oder die Blutgruppendiät. Mehr zu den Grundlagen der Anti-Aging-Medizin erfahren Sie unter Theorie der Lebensgeschichte.

Verhältnismäßigkeit der Mittel

Auch sanfte Therapien können einschneidend sein. Leider begegnen einem auch in der Naturheilkunde immer wieder Fälle, in denen mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. Therapeut*innen, die einerseits ein Antibiotikum für eine Mittelohrentzündung als zu „eingreifend“ bewerten, scheuen andererseits – in bester Absicht! – nicht davor zurück, ihren Patient*innen z. B. ausgefallene Diätpläne oder monatelange „Umstimmungstherapien“ zu verordnen.

Prüfen Sie deshalb vor jeder Therapie auch die Verhältnismäßigkeit der Mittel. Genauso wie man bei leichten Schmerzen nicht sofort ein Schmerzmittel einsetzt, müssen bei einer Schramme oder einem Mückenstich nicht immer gleich „die Kügelchen“ gezückt oder eine Akupressursitzung durchgeführt werden. Vertrauen Sie auch einmal auf die Natur – wäre der Körper nicht auf die normalen Belastungen des Alltags vorbereitet, wäre der Mensch schon vor vielen Generationen ausgestorben.

Weiterführende Informationen

  • www.nlm.nih.gov/medlineplus/alternativemedicine.html – Englischsprachige Internetseite der National Library of Medicine und der National Institutes of Health (USA): Mit vielfältigen Patienteninformationen zum Thema Komplementärmedizin.
  • www.kokonat.eu/start – Internetseite des Zentrums für naturheilkundliche Forschung der Technischen Universität München
  • E. Ernst: Praxis Naturheilverfahren. Springer, 2005. Fachlich fundierter Ratgeber, liefert einen ausführlichen Überblick über die evidenzbasierte Wirksamkeit von 64 naturheilkundlichen Diagnose- und Therapieverfahren.

Weiterlesen:

  • Die Wurzeln der Komplementärmedizin
  • Wirkungsweise der Komplementärmedizin
  • Unspezifische Wirkungen- wie sie sich erklären lassen
  • Naturheilverfahren realistisch nutzen
  • Naturheilverfahren in den Medien

Unspezifische Wirkungen – wie sie sich erklären lassen

Unspezifische Wirkungen sind keine Scheinwirkungen und auch nicht „nur Placebo-Effekte“. Im Gegenteil: Sie stimulieren die Selbstheilungskräfte und können so einen entscheidenden Einfluss auf den Krankheitsverlauf nehmen. Dem liegen verschiedene Mechanismen zugrunde:

  • Jede Behandlung greift auch ein Stück weit in das Gefüge unseres Lebens ein: Wir lernen unseren Körper besser kennen, denken über unsere Erkrankung nach, entdecken vielleicht Konflikte, Unstimmigkeiten oder Probleme in unserem Leben und versuchen, diese zu lösen. Diese Zuwendung uns selbst gegenüber kann unsere eigene Position stärken und Eigenkräfte mobilisieren.
  • Behandlung schafft Erwartung: Wir bringen in die Therapie unser Vertrauen ein, und erwarten allein schon deshalb, dass es uns in absehbarer Zeit bessergeht. Wie stark dieser Effekt ist, lässt sich in Studien zeigen: Werden im Krankenhaus Schmerzen behandelt, ohne dass der Patient weiß, für welchen Zweck er die Medizin bekommt, so wirkt das Schmerzmittel schlechter, als wenn der Patient ausdrücklich über die zu erwartenden Wirkungen aufgeklärt ist (dies gilt übrigens in noch stärkerem Maße für Placebos).
  • Viele Verfahren – wie die Homöopathie – bestehen aus weit mehr als nur den eingenommenen Tröpfchen oder Globuli: Dazu gehört ein ausführliches Gespräch zur Auswahl des Medikaments, bei dem sehr persönliche Fragen gestellt werden. Dazu gehören das „Gute Besserung“ der freundlichen Apothekerin und andere Begegnungen auf dem Weg. Kurz: Wir haben es mit einem therapeutischen System zu tun. Ein entscheidender Teil dieses Systems ist die Beziehung zum Therapeuten, der sich ein Stück weit in unsere Person und unser Problem eindenkt. Dessen Erfahrung, Wissen und menschliche Präsenz können uns Angst nehmen, Hoffnung und Sicherheit vermitteln und uns damit insgesamt stärken. Viele Naturheilverfahren bieten in der Tat das, was die Forschung als die wirksamsten Elemente einer Psychotherapie ansieht: eine therapeutische Beziehung, Klärung von Konflikten und Unterstützung bei der Bewältigung von Problemen.
  • Zu den unspezifischen Wirkungen gehören auch die so genannten ›Reizeffekte: Wo immer der Körper aus seiner Funktionsbalance (Homöostase) gebracht wird, leitet er zunächst einmal eine Stressantwort ein – das gilt für einen Aufenthalt in der Sauna genauso wie für einen kalten Wasserguss und die Akupunkturnadeln. Und diese Gegenreaktion kann, richtig dosiert, das Immunsystem ankurbeln – so ist z. B. bekannt, dass selbst die Injektion von physiologischer Kochsalzlösung messbare Veränderungen in der Zahl und Funktion der Immunzellen bewirkt.
  • Und zu guter Letzt darf nicht vergessen werden, dass viele Naturheilverfahren vom Patienten selbst bezahlt werden. Dies kann zum einen den „empfundenen Wert“ einer Therapie steigern. Zum anderen ermöglicht die im Vergleich zur „Kassenleistung“ weitaus bessere Vergütung eine zeitlich intensivere Zuwendung als das kurzatmige System der Fünf-Minuten-Medizin. Egal, ob dies als „erkaufte Zuwendung“ gesehen wird oder als ein dringend notwendiges Korrektiv der Schulmedizin: Die therapeutischen Begegnungen im Bereich der Alternativverfahren gehen oft tiefer.

Eine manchmal unterschätzte, unspezifische Wirkung ist auch das: Jede Therapie braucht Zeit – und diese Zeit wird auch von der Natur genutzt. Viele Krankheiten werden nun einmal von selbst besser – von Prellungen über Rückenschmerzen bis hin zu Erkältungskrankheiten.

Deshalb formulierte der Dichter Voltaire einmal eine Spitze gegen die damalige Schulmedizin, als deren edelste Aufgabe er es ansah, den Patienten abzulenken, damit die Zeit ihr Werk in Ruhe vollbringen kann.

Ein Beispiel: Als die zweite Flasche Hustensaft zu Ende war, war der Husten der kleinen Mareike noch kein bisschen besser. Anstatt zum Kinderarzt, bringt Frau W. ihr Kind diesmal zum Heilpraktiker. „Keine Frage“, sagt der nach einer gründlichen Untersuchung, „hier kann eine Konstitutionsbehandlung helfen. Ich schlage eine Darmsanierung vor.“ Die verordneten Tröpfchen werden eingenommen, nach zwei Wochen ist der Husten weg. Hat nun die „Darmsanierung“ geholfen oder wurde Frau W. lediglich im Sinne Voltaires „abgelenkt“?

Wirkung: unbestreitbar

Dass Naturheilverfahren wirken, ist unbestreitbar. Millionen von Patienten haben durch Naturheilverfahren Besserung erfahren. Und die Zufriedenheit mit Naturheilverfahren ist bei den Nutzern generell hoch – meist um einiges höher als in der Schulmedizin. Und was die Naturheilkunde auch für sich in Anspruch nehmen kann: Sie wirkt manchmal auch dort, wo die Schulmedizin nicht (mehr) helfen kann – so konnte die Akupunktur manchen Migränepatienten helfen, die in der Schulmedizin erfolglos behandelt wurden. Wenn Kritiker der Naturheilkunde also behaupten, die „sanften“ Verfahren seien ansprechend und sympathisch, wirkten aber nicht, so stimmt das ganz offensichtlich nicht.

Spezifisch oder unspezifisch?

Allerdings: Dass die Wirkung spezifisch ist, ist bisher nur für die wenigsten Naturheilverfahren belegt. Die Phytotherapie gehört zu den wenigen Methoden, die die spezifische Wirksamkeit einzelner Heilstoffe durch wissenschaftliche Studien belegen kann. Bei vielen anderen Verfahren verlief die Suche nach einer spezifischen Wirkung dagegen bisher eher enttäuschend: So ist das in Deutschland am häufigsten angewandte Naturheilverfahren, die Homöopathie, bisher nicht durch systematische Arzneimittelprüfungen im Sinn der evidenzbasierten Medizin untermauert, und auch die Akupunktur kann nicht uneingeschränkt als spezifisch wirksam gelten.

Weiterlesen:

  • Wirkungsweise der Komplementärmedizin
  • Wissenschaftliche Prüfung von Naturheilverfahren: Pro und Kontra
  • Naturheilverfahren realistisch nutzen

Wissenschaftliche Prüfung von Naturheilverfahren: Pro und Kontra

Wissenschaftliche Prüfung: Kontra!

Auf die „Wirkung unter dem Strich“ kommt es an. Und dabei, so meinen nicht wenige Verfechter von Naturheilverfahren, könnte man es doch belassen. Ob sich die Wirkung auf spezifische oder unspezifische Effekte gründet, sei für Patient*innen egal: Wer heilt, hat Recht. Zudem seien die spezifischen Wirkungen von den unspezifischen oft gar nicht zu trennen. Ein Antibiotikum mag wirken, wenn es über das Internet bestellt wird, aber bei den Naturheilverfahren seien nun einmal Beziehungen wichtig – Anwender und Mittel seien eine Einheit.

Streitfall Doppelblindstudien. Viele Verfechter*innen von Naturheilverfahren lehnen deshalb konsequente wissenschaftliche Untersuchungen wie etwa randomisierte Doppelblindstudien ab. Letztere wurden entwickelt, um die spezifische Wirkung einer Therapie zu messen – und die unspezifische Wirkung komplett außen vor zu lassen.

Mit solchen „künstlichen“ Studien, so die Kritik vieler Naturheilkundler*innen, werde jedoch das unterschlagen, was die Medizin seit ihren Anfängen genutzt hat und auf was sich die ärztliche Heilkunst  schon immer mitgegründet hat: die Beziehung der Patient*in zur Therapeut*in. Ist der Trend zu den Naturheilverfahren nicht gerade dadurch entstanden, weil die Schulmedizin die Herzen der Menschen nicht mehr erreicht? Sollen die Naturheilverfahren den Irrtum der Schulmedizin jetzt – auf Drängen der Schulmedizin – wiederholen? Und setzt nicht auch die Schulmedizin zuhauf auf unspezifische Wirkungen – sei es über den „Professorenbonus“ oder über die Strahlkraft hochtechnischer Untersuchungen?

So fragt etwa Dr. Ellis Huber, der ehemalige Präsident der Berliner Ärztekammer, warum nur das anerkannt werden solle, was „unabhängig von Beziehungen, seelischen oder geistigen Kräften und sozialer Lage wirkt“. Randomisierte Doppelblindstudien lehnt auch Dr. Huber als Standard zum Wirkungsnachweis in der Heilkunde ab und setzt dagegen: „Das Leben ist ein dynamisches, kommunizierendes Gewebe, ein Gewirr von Wechselwirkungen, in dem Geist und Materie, Leib und Seele miteinander in Beziehung stehen und sich gegenseitig beeinflussen“. [X03]

Wichtige Wirkungen: nicht messbar. Gegner einer rigorosen wissenschaftlichen Überprüfung weisen auch auf das Passungsphänomen hin: Ein Verfahren wirkt dann am besten, wenn es zu den Erwartungen und der Persönlichkeit der Patient*in passt. Die Patient*in braucht nicht die – nach exakten Methoden für  „Standardpatienten“ entwickelte – beste Therapie, sondern die für isie oder ihn als Individuum richtige. Nur wer sich von einem Verfahren „angesprochen“ fühlt, wird dessen Potenzial nutzen können. Und wie sollen statistische Verfahren das überprüfen?

Viele Verfechter*innen von Naturheilverfahren wollen sich deshalb allenfalls auf „weiche“ wissenschaftliche Überprüfungen einlassen – wenn die Wirkung von Naturheilverfahren geprüft werden solle, dann bitte schön der Gesamteffekt. Wo „Hülle und Inhalt“ zusammenwirken, solle auch die Wirkung des ganzen Pakets gemessen werden – anstelle von 35s62|Doppelblindstudien, die auf den Nachweis einer spezifischen Wirkung abzielen, sollten Beobachtungsstudien durchgeführt werden, welche die mit dem Verfahren „unter dem Strich“ erzielten Besserungen messen.

Wissenschaftliche Prüfung: Pro!

Die Befürworter*innen einer wissenschaftlichen Überprüfung der Naturheilverfahren halten dagegen: Vor der Empfehlung eines Medikaments oder Verfahrens müsse bekannt sein, ob dieses „aus sich heraus“ – also spezifisch – wirke. Man müsse wissen, ob ein Medikament nur wirkt, wenn man sich mit der Ärzt*in gut versteht oder auch dann, wenn man den Arzt nicht leiden kann. Was würden denn Patient*innen von Schulmedizinern halten, die sich weigern, ein Medikament zu testen, da dieses nur funktioniere, wenn ein Professor es verordne oder wenn die Ärzt*in zumindest einen weißen Kittel trüge?

Und für einen solchen Nachweis, so die Verfechter*innen eines wissenschaftlichen Herangehens, reiche die Erfahrung der Therapeut*innen nicht aus. „Dass dieses Medikament wirkt, sehe ich doch täglich in der Praxis“ ist kein Beweis für eine Wirkung über unspezifische Effekte hinaus. Und auch die oft bemühte „Stimme des Volkes“ hilft nicht weiter („Millionen zufriedene Anwender können nicht irren“) – Konsens ist kein Wirknachweis.

Zu einer verlässlichen Aussage über eine reproduzierbare (wiederholbare) Wirkung sind objektive Prüfungen unerlässlich, bei denen Zufall, Therapeut*in und Suggestion außen vor bleiben – die Einheit von Verfahren und Anwender soll aufgebrochen, die Verpackung vom Inhalt getrennt werden.

Und das schaffen nur randomisierte Doppelblindstudien (in diesen Studien werden die erzielten Besserungen mit denen eines Placebos verglichen). Nicht umsonst muss die Arzneimittelindustrie jedes Jahr Milliarden für diese Studien ausgeben – der spezifische Wirknachweis ist heute die Voraussetzung für die Medikamentenzulassung.

Dass objektive Wirknachweise grundsätzlich auch bei naturheilkundlichen, individuell wirkenden Verfahren wie etwa der Homöopathie erbracht werden können, zeigt folgendes Beispiel:

Drei homöopathisch arbeitende Hautärzt*innen einer mittelgroßen Stadt bitten alle neu in ihre Praxen kommenden Patient*innen schriftlich um Teilnahme an einer Studie über die Wirkung der homöopathischen Behandlung bei Neurodermitis. Die Voraussetzung zur Teilnahme: Sollte sich bei der Konsultation die Diagnose einer Neurodermitis ergeben, so müssen sich die Patient*innen bereit erklären, statt eines homöopathischen Medikaments eventuell ein Placebo zu bekommen. Zu den Bedingungen der Studie gehört auch, dass die Patienten ihre Medikamente immer in einer bestimmten Apotheke abholen und sich nach einem Zeitraum von drei Monaten von einer unabhängigen Hautärzt*in untersuchen lassen.

Die Apotheke, bei der sich die teilnehmenden Patient*innen ihre Verordnungen abholen, hat nun folgende Aufgabe: Auf allen mit einem roten „S“ markierten Verordnungen (das ist das vereinbarte Zeichen für „Studienteilnehmer“) prüft er das Geburtsdatum. Alle Patient*innen mit einer ungeraden Jahreszahl bekommen – in einer neutralen Verpackung – die verordneten homöopathischen Medikamente ausgehändigt, die mit einer geraden Jahreszahl ein gleich aussehendes Placebo. Die nach drei Monaten Behandlung aufzusuchende unabhängige Hautärzt*in dokumentiert die Befunde nach ihrem Schweregrad auf einer Skala von 1 bis 10 (ihm ist natürlich nicht bekannt, welche der Patient*innen homöopathisch behandelt wurden und welche nicht).

Sind ausreichend viele Patienten untersucht, kann nun der Studienleiter die Ergebnisse auswerten, d. h., die von der unabhängigen Hautärzt*in erhobenen Befunde der Behandlung zuordnen. Findet er statistisch keinen Unterschied in den Hautbefunden zwischen Patient*innen aus „ungeraden“ und solchen aus „geraden“ Geburtsjahren, so ist eine spezifische Wirkung des verordneten Homöopathikums nicht anzunehmen.

Es gibt aber noch weitere Argumente für die wissenschaftliche Überprüfung:

  • Jede Behandlung bedeutet einen Eingriff in den Körper und die Seele der Patient*in. Er investiert Vertrauen, Energie und Geld. Wenn eine Methode nur bei bestimmten Therapeut*innen funktioniert und bei anderen nicht, sollte die Patient*in dies wissen – und sich dann selbst entscheiden, ob er sich auf den Versuch einlässt.
  • Auch wenn unmittelbare Nebenwirkungen bei Naturheilverfahren selten sind: Patient*innen können auch bei sanften Verfahren zu Schaden kommen – vor allem dann, wenn wirksamere Therapien unterlassen werden.

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  • Unspezifische Wirkungen- wie sie sich erklären lassen
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Ärzt*in oder Heilpraktiker*in?

Grundsätzlich gilt: Eine Patient*in fährt mit der Person am besten, der sie vertraut.

Da Ärzt*innen jedoch über ein breiteres medizinisches Wissen verfügen, ist eher gewährleistet, dass sie richtige Diagnosen stellen und Verschlechterungen rasch erkennen. Auch stehen Ärzt*innen zusätzliche Methoden zur Verfügung und gegebenenfalls ist die Überweisung zur Spezialist*in eine weitere Option.

Wer sich nicht sicher ist, ob die Komplementärmedizin das richtige ist, könnte mit einer Ärzt*in, die beides anbietet, Schul- und Komplementärmedizin, gut beraten sein.

Die Kostenübernahme für naturheilkundliche Verfahren ist ein kompliziertes Thema, das von Kasse zu Kasse etwas unterschiedlich gehandhabt wird. Zudem unterscheiden sich Privatkassen und gesetzliche Krankenkassen, und die verschiedenen verfügbaren Zusatzversicherungen für naturheilkundliche Leistungen folgen ebenfalls eigenen Regeln. Vom Gesetzgeber sind zumindest die gesetzlichen Krankenversicherungen angewiesen, nur wissenschaftlich fundierte Therapien zu erstatten.

Neuerdings bezahlen manche gesetzliche Krankenkassen unter bestimmten Voraussetzungen eine homöopathische Behandlung, und – bei Kindern unter 12 Jahren – sogar die homöopathischen Arzneien. Ähnliches gilt für die Akupunktur, die zumindest für bestimmte Indikationen zur Kassenleistung geworden ist. Nicht verschreibungspflichtige, naturheilkundliche Arzneimittel müssen generell selbst bezahlt werden. Der Besuch bei der Heilpraktiker*in wird grundsätzlich nicht erstattet.

Bei diesen undurchschaubaren Verhältnissen kann nur eines geraten werden: Mit der Kasse reden, welche Leistungen sie übernimmt und welche nicht – am besten vor Aufnahme einer Therapie. Einige Ärzt*innen lehnen übrigens die Abrechnung über die Kasse auch dann ab, wenn sie genehmigt wird: Denn bei der Abrechnung als Kassenleistung (nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab - das bundesweite Vergütungssystem im deutschen Gesundheitswesen) erhalten sie viel weniger Geld als bei der Abrechnung als Selbstbezahlung nach der bundesweiten Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Oder die Ärzt*in verlangt Zuzahlungen, was allerdings oft sogar rechtswidrig ist.

Für Privatkassen sind die Regelungen anders – immerhin bieten jüngere Verträge eine gewisse Rechtssicherheit, weil dort bestimmte Verfahren explizit in Bezug auf die Kostenerstattung ein- oder ausgeschlossen sind. Die Verhältnisse in der Schweiz und in Österreich sind nicht weniger kompliziert. Auch hier gilt: nachfragen!

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